Gott ist unsre Zuversicht

BWV 197 // Trauung

für Sopran, Alt und Bass, Vokalensemble, Trompete I-III, Pauken, Oboe I+II, Oboe d’amore I+II, Streicher und Basso continuo

Der Bach der regulären Gottesdienstmusik ist uns wohlvertraut – die Begegnung mit ausserdienstlichen Auftragswerken wie der Kantate BWV 197 offenbart jedoch noch ganz andere Seiten des Meisters. Die damit gewährte Freiheit der Besetzung und Umsetzung inspirierte Bach zu effektvollen Lösungen und einer kühnen Eleganz der Klangfarben, Rhythmen und Orchesterdynamiken. Man wüsste gern, welchem «angenehmen Paar» der Thomaskantor hier Mitte der 1730er Jahre seine Aufwartung machte; dass Text und Musik ein lebenskundiges Loblied der Ehe singen, macht diese hymnische Kantate noch für unsere bindungsscheue Zeit wertvoll.

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Lutzogramm zur Werkeinführung

Manuskript von Rudolf Lutz zur Werkeinführung
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Akteure

Solisten

Sopran
Miriam Feuersinger

Alt/Altus
Alex Potter

Bass
Dominik Wörner

Chor

Sopran
Alice Borciani, Katharina Held, Simone Schwark, Gunta Smirnova, Noëmi Tran-Rediger, Baiba Urka

Alt
Nanora Büttiker, Antonia Frey, Stefan Kahle, Alexandra Rawohl, Lisa Weiss

Tenor
Clemens Flämig, Klemens Mölkner, Joël Morand, Nicolas Savoy

Bass
Jean-Christophe Groffe, Fabrice Hayoz, Serafin Heusser, Christian Kotsis, Daniel Pérez

Orchester

Leitung
Rudolf Lutz

Violine
Renate Steinmann, Monika Baer, Andrea Brunner, Patricia Do, Elisabeth Kohler Gomes, Salome Zimmermann

Viola
Susanna Hefti, Claire Foltzer, Matthias Jäggi

Violoncello
Martin Zeller, Jakob Valentin Herzog

Violone
Markus Bernhard

Oboe
Philipp Wagner, Josefa Winterfeld

Fagott
Susann Landert

Trompete
Jaroslav Rouček, Karel Mnuk, Pavel Janeček

Pauken
Georg Tausch

Cembalo
Thomas Leininger

Orgel
Nicola Cumer

Musikal. Leitung & Dirigent

Rudolf Lutz

Werkeinführung

Mitwirkende
Rudolf Lutz, Pfr. Niklaus Peter

Reflexion

Reflexion
Jonas Grethlein

Aufnahme & Bearbeitung

Aufnahmedatum
21.03.2025

Aufnahmeort
Trogen (AR) // Evang. Kirche

Tonmeister
Stefan Ritzenthaler

Regie
Meinrad Keel

Produktionsleitung
Johannes Widmer

Produktion
GALLUS MEDIA AG, Schweiz

Produzentin
J.S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz

Zum Werk

Textdichter

Erste Aufführung
Um 1736/1737, Leipzig oder Umland

Textgrundlage
Unbekannter Dichter
(zum Teil Parodie nach BWV 197a und BWV 249a)
Satz 5: «Nun bitten wir den Heiligen Geist»
(M. Luther, 1524), Strophe 3
Satz 10: (untextiert überliefert):
«Wer nur den lieben Gott lässt walten»
(G. Neumark, 1641), vermutlich Strophe 7

Text des Werks und musikalisch-theologische Anmerkungen

Der Bach der regulären Gottesdienstmusik ist uns vertraut – die Begegnung mit ausserdienstlichen Auftragswerken wie der Kantate BWV 197 offenbart jedoch auch andere Seiten des Meisters. Die bei solchen Gelegenheiten typische grössere Individualität der Besetzung und Komposition inspirierte Bach zu effektvollen Lösungen und einer kühnen Eleganz der Klangfarben, Rhythmen und Orchesterdynamiken. Zugleich konnte er dafür gelungene Versschemen und Vorlagensätze – in diesem Fall nach der weltlichen Glückwunschmusik BWV 249a und der nur fragmentarisch überlieferten Weihnachtskantate BWV 197a – in überarbeiteter Form wiederverwenden. «In diebus nuptiarum» steht zuoberst auf der Partitur – eine Hochzeitskantate also. Man wüsste gern, welchem «angenehmen Paar» der Thomaskantor hier Mitte der 1730er Jahre seine Aufwartung machte. Text und Musik singen dabei ein lebenskundiges Loblied der Ehe, in dem es um Vertrauen, Segen und Liebe sowie nicht zuletzt um Vergnügen und Lust geht. «Gott ist unsre Zuversicht» kommt so als vergnügliche und zuversichtliche Kantate gerade auch für unsere bindungsscheue Zeit daher. Solche «Brautmessen» zeitigten nebenher für den Thomaskantor und seine eigene Familie notwendige Zusatzeinkünfte, die sein auch laut eigener Aussage nicht üppiges Leipziger Grundgehalt aufbesserten.

1. Chor
Gott ist unsre Zuversicht,
wir vertrauen seinen Händen.
Wie er unsre Wege führt,
wie er unser Herz regiert,
da ist Segen aller Enden.

1. Chor

Der unbekannte Librettist zitiert im Anfangschor dieser feierlichen Hochzeitskantate Psalm 46, in dem es um Zuversicht, Vertrauen auf Gottes Begleitung und seinen Segen geht. Der mit Trompeten und Pauken, Oboen, Streichern und vierstimmigem Chor besetzte Eingangssatz in ABA-Form ist von ungewöhnlicher Klangpracht und motivischer Opulenz. Auch die plastisch ausgestaltete Fugenexposition und einleuchtende Textdeklamation erweist die meisterliche Dispositionskunst des reifen Bach.

2. Rezitativ – Bass

Gott ist und bleibt der beste Sorger,
er hält am besten Haus.
Er führet unser Tun zuweilen wunderlich,
jedennoch fröhlich aus.
Wohin der Vorsatz nicht gedacht,
was die Vernunft unmöglich macht,
das füget sich.
Er hat das Glück der Kinder, die ihn lieben,
von Jugend an in seine Hand geschrieben.

2. Rezitativ – Bass

Das Bass-Rezitativ handelt in kantabler Tonsprache von der Zuversicht und bestärkt: auch dort, wo Gottes Führung «wunderlich» und der Vernunft unzugänglich sei, ist das Glück jener, die ihn lieben, «von Jugend an» in Gottes Hand geschrieben.

3. Arie — Alt

Schläfert allen Sorgenkummer
in den Schlummer
kindlichen Vertrauens ein.
Gottes Augen, welche wachen,
und die unser Leitstern sein,
werden alles selber machen.

3. Arie — Alt

In der Alt-Arie ein Aufruf, allen «Sorgenkummer» mit kindlichem Gottesvertrauen ruhen zu lassen und Gottes «Augen, welche wachen» – die Vorsehung – zum Leitstern zu nehmen. Während das Versschema aus Satz 7 der Weissenfelser Huldigungskantate BWV 249a übernommen wurde, ist die von einer Oboe d’amore begleitete Arie neu komponiert. Wiegende Taktart und ausgehaltene Liegetöne evozieren einen behüteten Schlummer, dessen idyllischer Ruhe im Mittelteil Gottes unablässiges Wachen entgegengesetzt wird.

4. Rezitativ – Bass

Drum folget Gott und seinem Triebe.
Das ist die rechte Bahn.
Die führet durch Gefahr
auch endlich in das Kanaan,
und durch von ihm geprüfte Liebe,
auch an sein heiliges Altar,
und bindet Herz und Herz zusammen,
Herr! sei du selbst mit diesen Flammen!

4. Rezitativ – Bass

Überraschend ist im ernst gehaltenen Bass-Accompagnato die Rede von Gottes «Triebe», dem man folgen solle. Entsprechend der Exodus-Metaphorik komme die auf der Wüstenwanderung «geprüfte Liebe» endlich in Kanaan «an sein heiliges Altar», wo «Herz und Herz» von Gott zusammengebunden werden!

5. Choral

Du süße Lieb, schenk uns deine Gunst,
laß uns empfinden der Liebe Brunst,
daß wir uns von Herzen einander lieben,
und in Fried auf einem Sinne bleiben.
Kyrie eleis!

5. Choral

Der erste Teil dieser Hochzeitskantate endet mit der 3. Strophe des Lutherliedes «Nun bitten wir den Heiligen Geist» (1524), einer Bitte um die Empfindung rechter Liebe und um friedliche Verbundenheit.

Zweiter Teil

6. Arie – Bass

O du angenehmes Paar,
dir wird eitel Heil begegnen,
Gott wird dich aus Zion segnen
und dich leiten immerdar,
o du angenehmes Paar!

6. Arie – Bass

In der auf die Trauung folgenden Bass-Arie («post copulationem») wird dem «angenehmen Paar» Gottes Segen und Leitung verheissen. Dass Bach mit dem feinsinnigen Dialog von Fagott und Oboe über gedämpft ausgedünnten Streichern ein Ideal ungestörten ehelichen Miteinanders zeichnen wollte, scheint denkbar – auch wenn die von 1728/29 stammende weihnachtliche Urform dem Krippenkind huldigte.

7. Rezitativ – Sopran

So wie es Gott mit dir
getreu und väterlich
von Kindesbeinen an gemeint,
so will er für und für
dein allerbester Freund
bis an das Ende bleiben.
Und also kannst du sicher gläuben,
er wird dir nie
bei deiner Hände Schweiß und Müh
kein Gutes lassen fehlen.
Wohl dir, dein Glück ist nicht zu zählen.

7. Rezitativ – Sopran

Das Sopran-Rezitativ vertieft bis in ein schwelgerisches Arioso hinein die Verheissung: Gott wolle weiterhin der väterliche, «allerbeste Freund» des Paars sein und «kein Gutes lassen fehlen».

8. Arie – Sopran

Vergnügen und Lust,
Gedeihen und Heil
wird wachsen und stärken und laben.
Das Auge, die Brust
wird ewig sein Teil
an süßer Zufriedenheit haben.

8. Arie – Sopran

In sanft tänzerischen Tönen singt der Sopran von «Vergnügen und Lust, Gedeihen und Heil» – von all dem würden «Brust und Auge» ihren Anteil an «süßer Zufriedenheit» haben! Wie Bach die mit Bass, Oboe d’amore und Continuo besetzte Weihnachtsvorlage («Ich lasse dich nicht» BWV 197a/6) in ein luftiges Kabinettstück für Violine, begleitende Oboen und hochliegenden Sopran verwandelt, ist von strahlender Eleganz und ein Meisterstück seiner musikalischen Werkstatt.

9. Rezitativ – Bass

Und dieser frohe Lebenslauf
wird bis in späte Jahre währen.
Denn Gottes Güte hat kein Ziel,
die schenkt dir viel,
ja mehr, als selbst das Herze kann begehren.
Verlasse dich gewiß darauf.

9. Rezitativ – Bass

Das vom Streicher-Oboen-Tutti begleitete Bass-Rezitativ bekräftigt die Verheissungen für den «frohen Lebenslauf» des Paars, Gottes Güte schenke viel, «ja mehr, als selbst das Herze kann begehren».

10. Choral

So wandelt froh auf Gottes Wegen,
und was ihr tut, das tut getreu!
Verdienet eures Gottes Segen,
denn der ist alle Morgen neu:
denn welcher seine Zuversicht
auf Gott setzt, den verläßt er nicht.

10. Choral

Diese «Brautmesse» schliesst vertrauens- und stimmungsvoll mit G. Neumarks Choral «Wer nur den lieben Gott lässt walten» (1641). Während die Partitur keine Textangabe notiert, kann Strophe 7 als plausible Vermutung gelten.

Quellenangaben

Alle Kantatentexte stammen aus «Neue Bach-Ausgabe. Johann Sebastian Bach. Neue Ausgabe sämtlicher Werke», herausgegeben vom Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig, Serie I (Kantaten), Bd. 1–41, Kassel und Leipzig, 1954–2000.
Alle einführenden Texte zu den Werken, die Texte «Vertiefte Auseinandersetzung mit dem Werk» sowie die «musikalisch-theologische Anmerkungen» wurden von Anselm Hartinger und Pfr. Niklaus Peter sowie Pfr. Karl Graf verfasst unter Bezug auf die Referenzwerke: Hans-Joachim Schulze, «Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs», Leipzig, 2. Aufl. 2007; Alfred Dürr, «Johann Sebastian Bach. Die Kantaten», Kassel, 9. Aufl. 2009, und Martin Petzoldt, «Bach-Kommentar. Die geistlichen Kantaten», Stuttgart, Bd. 1, 2. Aufl. 2005 und Bd. 2, 1. Aufl. 2007.

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