Der dem Stundengebet der Vesper zugeordnete neutestamentarische Lobgesang der Maria, das sogenannte «Magnificat», gehört dank seines ausgesprochen bildkräftigen Wortlautes zu den bereits in der frühen Neuzeit besonders häufig vertonten gottesdienstlichen Textvorlagen. Die siebzehnstimmige Vertonung des Salzburger Hofkapellmeisters Andreas Hofer ordnet sich dabei in eine auf Giovanni Gabrieli und Claudio Monteverdi zurückgehende Tradition mehrchöriger Satzanlagen für Vokalstimmen und Instrumente ein, die in der klangdramaturgisch-akustischen Aneignung eines grossen Kirchenraums mit mehreren Orgeln und Emporen die erstaunlichen Parallelen zwischen dem Vorbild von San Marco in Venedig sowie dem Salzburger Dom fruchtbar macht. Aus einer knappen Sonata heraus, die das Wechselspiel eines fünfstimmig besetzten Bläserchores aus Zinken und Posaunen sowie eines ebenfalls fünfstimmigen Streicherensembles als prunkvolle Eröffnung profiliert, entwickelt sich nach einer Intonation des Tenors ein dichter Zusammenklang aller acht Singstimmen und sämtlicher Instrumente, der das freudige «Et exultavit spiritus meus» in eine aufstrebende redende Geste verwandelt. In der steten Folge solistischer Abschnitte und teils kompakt syllabischer sowie teils kleinteilig aufgebrochener Tutti-Abschnitte zeichnet Hofer klangsinnlich jeden einzelnen Vers des marianischen Canticums nach, ehe das effizient disponierte Stück in einer figurenreichen freipolyphonen Schlusssteigerung ausläuft.
«Magnificat D-Dur»
Magnificat anima mea Dominum.
Meine Seele erhebet den Herrn
Et exsultavit spiritus meus in Deo salutari meo.
und mein Geist freuet sich in Gott, meinem Heiland;
Quia respexit humilitatem ancillae suae;
ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes.
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder;
Quia fecit mihi magna qui potens est, et sanctum nomen eius.
denn er hat große Dinge an mir getan, der da mächtig ist und des Name heilig ist.
Et misericordia a progenie in progenies timentibus eum.
Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für bei denen, die ihn fürchten.
Fecit potentiam in brachio suo, dispersit superbos mente cordis sui.
Er übet Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Deposuit potentes de sede et exaltavit humiles.
Er stürzte die Gewaltigen von ihrem Thron und erhöhte die Niedrigen.
Esurientes implevit bonis et divites dimisit inanes.
Suscepit Israel puerum suum recordatus misericordiae suae.
Die Hungrigen füllte er mit Gütern und ließ die Reichen leer ausgehen.
Er denkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel wieder auf,
Sicut locutus est ad Patres nostros, Abraham et semini eius in saecula.
wie er geredet hat unsern Vätern, Abraham und seinem Samen ewiglich.
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto.
Sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum.
Amen.
Ehre sei dem Vater, Ehre dem Sohn und Ehre dem Heiligen Geist,
wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
Solisten
Sopran: Jessica Jans, Mirjam Wernli
Alt: Alexandra Rawohl, Jan Börner
Tenor: Jakob Pilgram, Joël Morand
Bass: Tobias Wicky, Daniel Pérez
Orchester der J. S. Bach-Stiftung
Leitung: Rudolf Lutz
Das Stück wurde anlässlich des Konzerts «Zwischen den Zeiten» am 30. Dezember 2021 in der Kirche St. Laurenzen aufgeführt. Bei der Aufnahme handelt es sich um einen Mitschnitt der Probe am Vortag.
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